...zum Parteiaustritt von F. Brodehl
Die Begründung F. Brodehls bzgl. der Zerstörung der AfD-Landtagsfraktion ist die Inkarnation einer gewissenlosen Gesinnungsethik, deren verhängnisvolle Wirkung an diesem Beispiel abzulesen ist. Verantwortungsethik im Gegensatz dazu hätte die Wirkungen auf die Mitarbeiter, die nun arbeitslos werden, und den Verlust von Signalen in die Öffentlichkeit berücksichtigen müssen. „Fraktion im Dialog“, eine erfolgreiche Veranstaltungsserie, ist nunmehr Geschichte. Eine parlamentarische Bühne haben wir nicht mehr.
So stellt sich nunmehr die Frage: Hat Brodehl recht – hinsichtlich der Faktenlage und seiner sich daraus ergebenden Einschätzungen?
"Ausschlaggebend" für ihn ist eine „Radikalisierung der Partei“. Die gibt es aber den Hauptstrommedien zufolge seit der Erfurter Resolution von März 2015. Nach jedem Parteitag ist die AfD angeblich nach „rechts“ gerückt. Nur die Welt kam am 19.08.2020 zu der Ansicht, dass „das völkische AfD-Lager jetzt nur noch ein Trümmerhaufen“ sei. Ungeachtet von der Richtigkeit einer solchen Aussage argumentiert Brodehl aber nur mit vier Beispielen aus dem Landesverband Schleswig-Holstein, und die beziehen sich hauptsächlich auf angebliches „Nazi-Vokabular“ – der wohl beliebteste Vorwurf gegen die AfD, der sich auch schon Lucke ausgesetzt sah („entartet“). Und diese Diktion wird von Brodehl übernommen. Wer von einem „völkisch-nationalistischen Grundton“ spricht, der angeblich „deutlich lauter als die Stimmen derjenigen in der Partei [ist], die für eine seriöse und wertkonservative AfD-Politik eintreten“, übernimmt nicht nur das Wertungsraster des politischen Gegners, sondern unterstützt die Spaltungsabsichten von politischen Kräften, denen die AfD sowieso ein Dorn im Auge ist, indem eine „seriöse und wertkonservative“ AfD gegen eine völkisch-nationalistische in Stellung gebracht wird.
Dazu schreibt Frank Böckelmann: Die Begriffsknechtschaft abschütteln, in TUMULT Herbst 2020, S. 5 zitiert:
„Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, in Berichten, Kommentaren und Interviews über die AfD nachzusehen, ob die dort gehäuft verwendeten Attribute »rechtsextrem«, »völkisch« und »nationalistisch« auf irgendeine Weise erläutert werden. Ob SZ, FAZ, taz, Spiegel, ZEIT, ARD oder ZDF – so gut wie niemals werden auch nur die geringsten Anstalten zu ihrer Erklärung gemacht, abgesehen vom Ringelreihen der Anprangerungen.“
Brodehl aber bleibt an der Oberfläche und führt keine inhaltliche Auseinandersetzung, wenn er lediglich die unglückliche Formulierung „Krieg des Systems gegen das eigene Volk“ kritisiert. Denn die Tatsache, dass das Establishment gegen die Interessen unserer Nation handelt, bleibt in der AfD unbestrittener Konsens. Wer das anders sieht, hat in der Partei tatsächlich keinen Platz.
Das gleiche trifft auch zu, wenn Brodehl das Konzept „Sozialer Patriotismus“ als „ewiggestriges Gedankengut“ stigmatisiert, anstatt sich INHALTLICH damit auseinanderzusetzen, so wie es Gerlich und Kaiser in ihrem Briefwechsel unternommen haben. Diese Diskussionen brauchen wir, und dafür muss die Partei offen bleiben. Andernfalls erleben wir nichts anderes als eine innerparteiliche Form der „Cancel Culture“ der es „um das Verhindern missliebiger Meinungen und das Ausgrenzen von Menschen aus der Gemeinschaft geht“. (so JOSEF KRAUS in TICHYS EINBLICK 10/20, S. 36).
Wenn Brodehl schreibt „Zuletzt hat mich diese Entwicklung auch ganz persönlich betroffen“, so kann dies als Ausdruck verstanden werden, dass hier ein Politiker dem Druck nicht mehr standhalten konnte. Das ist menschlich zu respektieren. Die ehrenhafte Konsequenz wäre dann aber, sich ganz aus der Politik zurückzuziehen und das Mandat abzugeben. Denn „ganz persönlich“ (und zwar existentiell) sind vor allem die Angestellten der Fraktion betroffen und ihre Familien. Das muss eine so weitreichende Entscheidung aus Rücksicht auf den Nächsten auch berücksichtigen.
Das vorsätzliche Auseinandersprengen der AfD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag stellt zudem eine eklatante Missachtung des Wählerwillens dar. Unsere Wähler haben im Jahr 2017 die AfD als Fraktion gewählt und nur eine Fraktion kann die parlamentarischen Rechte einer Oppositionspartei im Parlament wirksam wahrnehmen. Nur eine Fraktion besitzt ein Antragsrecht in den Fachausschüssen sowie im Plenum und ebenso können nur Fraktionen Sitze in den Gremien des Parlaments wie z. B. dem wichtigen Ältestenrat einnehmen.
Mit einem Verlust des Fraktionsstatus´ entfallen für die AfD als Oppositionspartei diese wichtigen parlamentarischen Rechte. Wie sieht nun aber die Realität für Landtagsabgeordnete ohne Fraktionsstatus aus? Ihre Mitspracherechte sind gegenüber denjenigen einer Fraktion erheblich reduziert, und eigentlich haben sie nur noch die Möglichkeit, in den Plenardebatten Kurzbeiträge von 3 Minuten beizusteuern, immer zuletzt, nachdem alle anderen Fraktionen ihr Rederecht bereits wahrgenommen haben.
Die Wähler der AfD haben uns im Jahr 2017 aber nicht das Vertrauen geschenkt, damit unsere Abgeordneten ihre Zeit im Landtag als Einzelkämpfer ohne Fraktionsstatus zubringen und dadurch in eine Außenseiterrolle gedrängt sind. Ein Abgeordneter, der durch seinen Austritt aus der Fraktion zugleich den Fraktionsstatus als solchen zerstört, missachtet daher alle wichtigen Rechte einer parlamentarischen Mitsprachemöglichkeit und führt der AfD als Oppositionspartei einen Glaubwürdigkeitsschaden zu, wie er größer kaum sein könnte.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass die Argumente von F.Brodehl nach Art einer persönlichen Abrechnung unprofessionell zusammengestellt wirken und durch persönliche Anklagen und Wortwahl dem politischen Gegner in die Hände spielen. Für die Partei in Schleswig-Holstein wird damit alles nur noch schwieriger. Neben einer menschlichen Enttäuschung bleibt die Wut darüber, dass mutwillig die parlamentarische Plattform eines Landesverbandes zerstört wurde.